2 Wochen Sonne, Vulkane und Plastikflaschen auf Sizilien - Reisebericht einer Radtour im Oktober 1999
Nach einem kurzen Flug aus dem grauen und kalten Hamburg landen
wir
eine Stunde
vor Sonnenuntergang bei strahlendem Sonnenschein auf dem kleinen
Flughafen
von Catania. Etwas exotisch wirken Hauke und ich schon, als wir unsere
Räder auspacken und zusammenbauen. Ansonsten waren
hauptsächlich
sonnenhungrige Hotelurlauber im Flieger. Für heute abend steht nur
noch die Quartiersuche auf dem Programm. Und den Weg Richtung Meer
finden
wir ohne allzu große Umwege, schwieriger wird es schon einen noch
geöffneten Campingplatz zu finden. Nach langer vergeblicher Suche
suchen wir uns ein vermeintlich stilles Eckchen am Strand und bauen
unser
Zelt auf. Im Laufe der Nacht entpuppt sich dieses 'stille Eckchen' als
Treffpunkt der Jugendlichen aus dem nahen Catania, sodaß die
Nacht
recht unruhig wird, obwohl wir ansonsten in Ruhe gelassen werden.
Am
nächsten Morgen erwachen wir kurz nach Sonnenaufgang und
stärken
uns erstmal, bevor es langsam daran geht das erste Mal das Zelt
zusammenzupacken
für die erste Etappe. Die Küste südlich von Catania ist
zum großen Teil alles andere als schön. Doch zunächst
bleiben
noch ein paar Ausblicke auf den Ätna. Hinter Augusta bestimmt dann
die Petrolindustrie das Bild und ein Straßengewirr erschwert die
Orientierung. Als 'Highlight' des ersten Tages ist eine Stipvisite
durch
Siracusa zu betrachten mit seiner wirklich schönen Altstadt. Wir
wollen
jedoch noch weiter, kurz vor Avola schlagen wir unser Nachtquartier auf.
Avola mit seinem schöne Platz im Herzen des Ortes lädt
eine halbe Stunde nach dem Frühstück erst mal zu einer
Capuccino-Pause ein, die von jetzt ab jeden Morgen einlegen. von dort
geht's
in Richtung Cavagrande del Cassiblie, einem verwinkelten Bachtal mit
terassenförmig
angeleckten Naturpools. Zugänglich ist dieses Tal nur von oben,
d.h.
zunächst einmal müssen wir 400 m Höhe gewinnen mit dem
Fahrrad,
bevor es dann zu Fuß mit Picknick und Handtuch
im Rucksack wieder hinunter geht. Herrlich frisches Wasser lädt
zum
Baden ein. Schon am frühen Nachmittag verlassen wir das
schöne
Tal wieder und fahren in Richtung Noto, einer der berühmten
Barockstädte
im Süden von Sizilien. Nach kurzem Zwischenstop geht es weiter in
Richtung Süden. Die Sonne steht schon etwas tief und wir fliegen
mit
Rückenwind der kleinen Stadt Pachino entgegen. In der Stadt ist
jetzt
bei Sonnenuntergang die Hölle los, die Straßen sind voll von
Menschen und auf der kleinen Piazza haben sich die Männer des
ortes
versammelt. Wir kaufen noch etwas zum Kochen ein und sehen zu,
daß
wir den Campingplatz bei Portopalo finden, denn es wird jetzt schnell
dunkel.
Der Campingplatz hat gerade die letzte Nacht in dieser Saison auf, hier
werden überall schon die Bürgersteige hochgeklappt. Aber wir
können uns noch im Schein der Laterne eine kleine Pasta-Mahlzeit
zubereiten
und den guten sizilianischen Rotwein genießen.
Die weitere Fahrt entlang der Südküste führt uns
durch
das große Gemüseanbaugebiet im Süden Siziliens. Das
Klima
ist hier so gut, daß die Sizilianer mit künstlicher
Bewässerung und Kunstdünger dem Land zwei Ernten im Jahr
abtrotzen
können. Dafür ist die Landschaft mit Plastikplanen
durchzogen,
denn fast alles Gemüse wächst in Gewächshäusern,
d.h.
einem Brettergestell mit Plastikplanen überzogen. Diese Aussicht
genießen
wir bis zum Horizont, eine skurrile, künstliche Landschaft, damit
wir im Norden Europas frisches Obst und Gemüse im Herbst und
Winter
haben. Ich muß an dieses Bild später zurückdenken, als
wir in Catania über den farbenprächtigen Markt gehen.
Ansonsten
erwarten uns an der Südküste keine überragenden
Highlights,
Marina di Ragusa ist ein kleiner netter Ort, der jetzt am Ende der
Saison
noch etwas Leben bietet. Ansonsten sind die direkten Küstenorte
schon
richtig ausgestorben, die Sizilianer leben hier nur im Sommer.
Die
Stadt Gela ist schon ein Vorposten Afrikas, das Leben am späten
Nachmittagbeeindruckt,
allerdings auch die Armut, in der hier viele leben. Hier im Süden
leben viele Afrikaner und Araber, die als Landarbeiter für
'Billiglöhne'
arbeiten. Ein weiterer Ort der an der Südküste herraussticht,
ist Palma di Montechiaro, ein riesiger durch die Bausünden der
Mafia
verschandelter Ort. Jedem mitteleuropäischen Architekten
würde
es schlecht werden, wenn er die vielen halbfertigen Häuser aus
Beton
ansehen müßte. Sogar die Dächer sind hier aus Beton
gegossen.
Dagegen ist Agrigento ein richtiger Gegensatz. Hier sind sogar jetzt im
Oktober noch viele Touristen anzutreffen, die die griechischen Tempel
besichtigen.
Dies lassen auch wir uns nicht entgehen, die elegante griechische
Architektur
ist ein krasser Gegensatz zur 'Architektur der Mafia' der letzten 20
Jahre.
Nach dem Besuch der Tempelanlagen fahren wir in das auf einem
Hügel
gelegene
heutige
Agrigento, eine nette Stadt mit hübschen Gassen.
Für uns heißt es nun Abschied nehmen von der
Südküste
und hineinzufahren in die Berge. Bei 30 Grad im Schatten kämpfen
wir
uns die Steigungen hoch, dafür entschädigt die Landschaft mit
schönen Ausblicken. Das Radfahren macht hier deutlich mehr
Spaß
als an der Küste, wenn es auch etwas anstrengender ist.
Während
mir Hauke in der Ebene häufig davongefahren ist, behalte ich am
Berg
die Oberhand. Mir liegt das Fahren in den Bergen. Auf kleinen
Straßen
mit relativ wenig Verkehr geht es quer durch das Landesinnere. Gegen
abend
werden die Plätze in den Dörfern immer voller, alle
Männer
treffen sich und die Luft ist erfüllt von einem Stimmengewirr.
Radfahrer
scheinen die Leute hier noch nicht gewöhnt zu ein, wir werden
immer
bestaunt und oft angesprochen, manchmal sogar auf Deutsch (von
Sizilianern
die bei uns in Deutschland einige Jahre gearbeitet haben).
Campingplätze
und Hotels gibt es hier keine und so fahren wir bis zur Dämmerung
und suchen uns dann auf einem kleinen Plateau unterhalb der
Straße
einen Platz für die Nacht. Die Dusche muß heute Abend
ausfallen.
Im Schein der Kerzenlaterne kochen wir uns noch eine kleine Mahlzeit,
denn
Hunger haben wir jetzt genug nach der anstrengenden Kurverei durch die
Berge. der nächste Tag beginnt mit einer Abfahrt, wir haben auf
einer
Höhe genächtigt, was morgens direkt für gute Laune
sorgt.
Der Cappuccino im nächsten Ort steigert diese noch. Riesige
ortschaften
finden wir im Innern Siziliens. Die Landarbeiter fahren große
Entfernungen
zur Arbeit. Der Himmel ist von leichten weißen Wolken durchzogen
und es gibt immer wieder tolle Ausblicke auf die Ortschaften, z.B.
Santo
Stefano,
die meistens auf einer Bergkuppe liegen. Für uns geht es jetzt
weiter
bergauf, über 900 m hoch liegt die höchste Erhebung der
Straße
in Richtung Palermo. Berühmte Namen ehemaliger Mafiahochburgen
zieren
die Ortschaften (Prizzi, Corleone). Als wir am Nachmittag eine kleine
Pause
einlegen, sind wir ganz schön kaputt. Doch noch bleibt uns die
Suche
nach einem Nachtquartier. Es ist besonders schwierig hier, ein Stausee,
an dem das Zelten möglich wäre, ist Naturschutzgebiet und in
Richtung Palermo wird die Gegen immer dichter besiedelt. Zudem sind
fast
alle Gebiete abgezäunt, sodaß man nicht einfach das
nächste
Feld auswählen kann. Für heute haben wir jedoch noch
Glück,
der Garten eines leerstehenden alten, wunderschönen Palazzo dient
uns als Campingplatz. Morgen fahren wir dann nach Palermo 'rein. wir
beschließen
den Tag mit einem selbstgekochten Essen und einer guten Flasche Wein.
Am nächsten Tag ist es nur ein Katzensprung bis Palermo, wir
müssen noch eine kleine Hügelkette bezwingen, bevor die Stadt
zu unseren Füßen liegt. Vor uns liegt ein Meer aus
Zitronenhainen,
hinter denen sich Palermo ausbreitet. Das Fahrradfahren in Palermo habe
ich mir schlimmer vorgestellt. Wohl
wegen des vielen Gepäcks machen die Italiener einen relativ weiten
Bogen um uns.Wir suchen uns ein kleines Hotel, in dem wir die
Fahrräder
im Hausflur festschließen können und streifenfür
eineinhalb
Tage durch Palermo. Interessant sind die vielen kleinen Gassen, das
Marktviertel
und einige übrig gebliebene Prunkbauten. Plaermo, eine Stadt, die
wir vorher auch vorwiegend mit der Mafia in Verbindung gebracht haben,
läßt davon nichts mehr spüren. Der Bürgermeister
und
die Stadtverwaltung versuchen konsequent gegen die Mafia vorzugehen.
Wie
gut das gelingt, ist als Tourist sicherlich nur schwer
einzuschätzen.
Abends gibt es viele kleine, gute Restaurants zur Auswahl und an einem
Abend verspeise ich ein köstlich zubereitetes Schwertfischsteak.
Vom
ehemaligen Reichtum der Stadt scheint nicht mehr viel übrig
geblieben
zu sein, viele alte Paläste verfallen, die Wirtschaftskraft und
das
Geld scheint eher in Catania zu wohnen. Da wir nur zwei Wochen Zeit
haben
wollen wir uns die Nordküste sparen und irgendwie ein Stück
in
Richtung Osten fahren. Trotz mehrmaliger Versuche am Bahnhof ist es in
Sizilien jedoch schlicht und einfach unmöglich Fahrräder mit
der Bahn zu transportieren. Sehr zu unserem Erstaunen ist das jedoch in
dem weitverzweigten Busnetz ganz anders. Sofern die anderen
Mitreisenden
nicht zuviel Gepäck haben ist es kein Problem die Fahrräder
in
den unteren Gepäckfächern zu verstauen. So machen wir uns
nach
eineinhalb Tagen Palermo wieder auf, um mit dem Bus in Landesinnere
nach
Enna zu fahren.
Enna liegt auf über 900 m mitten im Bergland Siziliens und
hat
eine alte Festung und ein paar schöne Häuser in der Stadt.
Die
Stadt trohnt auf einem Felsen, wie viele der Orte hier. Der Ausbreitung
sind damit Grenzen gesetzt. Nach einer Mittagspause können wir die
Abfahrt genießen, hoch hatte uns ja der Bus gebracht. Heute soll
es noch ein paar Kilometer in Richtung Osten gehen. Ich finde die
Landschaft
viel interessanter als an der Küste, auch wenn das dauernde auf
und
ab sehr viel anstrengender ist. An einer Steigung überholen wir
einen
alten Mann, der vergeblich versucht einen Karren mit all seinem Hausrat
den Berg hochzuschieben. Leider
können wir ihm auch nicht helfen, da wir schon Mühe haben mit
den Fahrrädern bergauf zu fahren und es noch über 6 km
bergauf
geht. Wenig später hält ein Auto an und wir hoffen, daß
dem alten Mann so geholfen werden kann. Am späten Nachmittag, als
die Sonne langsam tiefersinkt, machen wir noch eine Pause, bevor es
daran
geht, einen Platz für unser Zelt zu suchen. Dies ist wieder gar
nicht
so einfach. Ein Stausee, an dem das Zelten problemlos möglich
wäre
liegt in einem Naturschutzgebiet und sonst ist fast alles
eingezäunt.
So fahren wir weiter in Richtung Ätna und vor uns taucht die Stadt
Agira im Abendlicht auf. Das ist ein toller Anblick, wie die
Häuser
in der Abendsonne leuchten, während das Umland schon langsam
dunkler
wird. Schließlich finden wir hinter Agira ein ganzes
Stück
in einen Feldweg rein, einen guten Platz für unser Zelt. Gerade
noch
bevor es ganz dunkel wir sind wir fertig mit dem Aufbauen. Schon im
Dunkeln
packen wir den Kocher und eine gute Flasche sizilianischen Wein aus und
bereiten uns noch ein warme Mahlzeit. Dazu biete sich uns ein tolles
Schauspiel.
Wir hatten es erst gar nicht wahrgenommen, den tollen Ausblick auf den
Ätna in gut 35 km Entfernung. Nun können wir sehen wie Lava
immer
wieder aus einem Krata am westlichen Rand des Vulkans hochsprüht
und
sich ein Lavastrom der Westflanke hinunter bildet. Lang noch sitzen wir
mit Wein gebannt vor den sich uns darbietenden Naturkräften.
Am nächsten Morgen in der Bar in Regalbuto beim morgendlichen Cappuccino sehen wir in der Zeitung Bilder von geringerer Entfernung, es war eine ziemlich starke Eruption, Menschen sind jedoch glücklicherweise nicht zu Schaden gekommen. Unser Ziel ist nun auch der Ätna, morgen wollen wir mit dem Fahrrad die Paßstraße emporklimmen. Zuvor können wir jedoch erstmal die Abfahrt aus dem Bergland in das Flußtal des Fiume Simento genießen. Dann geht es jedoch bis Niccolosi (700 m) noch einmal gut bergauf. Das Nachtquartier ist die recht gut ausgestattete Jugendherberge, ansonsten ist hier deutlich zu spüren, daß die Saison schon vorbei ist, es ist schon schwierig ein offenes Restaurant am Abend zu finden.
Am nächsten Morgen machen wir uns mir leichtem Gepäck
auf
zum Ätna. Zunächst
steigt die Straße nur leicht an und wir kommen noch gut voran.
Leider
zieht der Himmel immer mehr zu und der Gipfel des Ätna ist schon
in
den Wolken. Langsam wir die Straße steiler und geht in
Serpentinen
über. Immer noch werden Hotels in die Lavamassen gebaut, obwohl
beim
nächsten Ausbruch das Haus schon wieder weg sein kann. Weiter oben
sehen wir ein paar Häuser von den Lavamassen begraben. Wir kommen
unseren vorläufigem Ziel näher, dem Rifugio Sapienza, auf
1910
m gelegen. Dort wärmen wir uns erst mal in der Cafeteria auf, der
kalte Wind, bläst uns ganz schön durch. Aber ein bisschen
höher
wollen wir noch, auch wenn der Wind ein normales gehen nicht
zuläßt.
So hangeln wir uns an einem Fahrweg hinauf bis zur 2550 m hoch
gelegenen
Bergstation der Seilbahn, die aufgrund des Winde nicht fährt.
Viels
sehen könnenwir allerdings nicht, das verhindert der umherwehende
Lavasand. Ich dränge langsam zum Aufbruch, da es ja abends nicht
mehr
solange hell ist und ich die Abfahrt im Hellen machen möchte.
Diese
können wir auch genießen, wir fliegen hinunter nach
Niccolosi,
vorbei an einem Rollskiläufer, der noch auf dem Weg hoch ist. wie
der wohl wieder herunterkommt? Abends sitzen wir in der Jugendherberge
mit einem Pärchen aus England zusammen und plaudern über
unsre
Reiserlebnisse.
Roadbook
1.Tag Catania -
Avola
100 km
2.Tag Avola - Cavagrabde
del Cassibile -
Portopalo
70 km
3.Tag Portopallo -
Pozzallo
- Marina di
Ragusa
66 km
4.Tag Marina di Ragusa
- Gela - Punta delle due Roche 79 km
5.Tag Punta delle due
Roche - San Leone (Agrigento)
60 km
6.Tag San Leone -
Agrigento
-
Bivona
69 km
7.Tag Bivona
-Marineo
86 km
8.Tag Marineo -
Palermo
31 km
9.Tag Palermo
10.Tag Palermo - (Bus) - Enna - (Rad)
-
Agira
43 km
11.Tag Agira -
Nicolosi
57 km
12.Tag Nicolosi - Ätna -
Niccolosi
40 km
13.Tag Niccolosi -
Catania
15 km
14. Tag Catania
-------------
Summe (gefahrene Strecke) 716 km