Bericht einer Reise vom 14.Juli 1999 bis zum 4.August 1997 (Auszüge aus dem Reisetagebuch)
14.Juli 1999
21:11 Uhr Hamburg Flughafen, wenig mehr als ein Jahr nach meiner
ersten Islandreise sitze ich wieder auf dem Hamburger Flughafen, mein
Fahrrad
ist bereits aufgegeben und ich warte darauf an Bord zu gehen. Diesmal
werde
ich alleine nach Island reisen, es ist eine Reise auch um ein wenig
Abstand
zu gewinnen von den vielen Dingen, die mich im letzten halben Jahr
beschäftigt
haben. Vor wenigen Wochen habe ich meine Doktorarbeit abgeschlossen,
ich
bin ziemlich ausgelaugt, der psychische Streß das letzte halbe
Jahr
war sehr groß. Hinzu kommt eine unglückliche Liebe, kurz
gesagt,
ich muß dringend mal 'raus aus allem, um meinen Standort neu zu
bestimmen.
So habe ich vor 3 Wochen kurzentschlossen den Last-Minute Flug mit LTU
nach Island gebucht. Endlich geht's los, dieses Jahr weiß ich ja
schon ein wenig was mich erwartet.
So steht dieses Jahr auch keine Rundreise auf dem Programm, ich
will mich auf den Westen, einigere kleinere Hochlandstrecken und den
landschaftlich
so eindrucksvollen Nationalpark Landmannalaugur beschränken.
Kurz vor Mitternacht verlasse ich das Terminal in Keflavik Airport, vor dem Terminal begrüßt mich Elli, der Campingplatzwart aus Keflavik, der wie immer alle Radfahrer einsammelt, die bei ihm die erste Nacht verbringen wollen. Er weiß doch tatsächlich noch, daß ich letztes Jahr schon mal da war. Ich steuere auch seinen Campingplatz an, lasse es mir aber nicht nehmen, noch die paar km durch die helle Nacht zu fahren. Es ist ganz praktisch bei Elli zu übernachten, die Fahrradverpackung bleibt bei ihm für die nächsten 3 Wochen und er hat immer ein wenig Zeit für die neuesten Infos aus Island, z.B. bezüglich Befahrbarkeit der Hochlandstrecken.
15.Juli 1997, Keflavik-Reykjavik 48 km
Ich habe schlecht geschlafen die kurze Nacht, ich habe mich noch
nicht daran gewöhnt, daß es nicht dunkel wird und der Wind
hat
ganz schön am Zelt gerüttelt. So stehe ich schon um 8:00 Uhr
auf und suche müde meine sieben Sachen zusammen. Beim
Frühstück
komme ich ins Schwatzen mit einem Lübecker Pärchen, so breche
ich doch erst gegen 11:00 Uhr auf. Die heutige Etappe ist relativ
unspektakulär,
auf der recht gut befahrenen Straße nach Reykjavik sind 50 km zu
bewältigen. Wenige
km hinter Keflavik holt mich Michu, ein Holländer, ein. Wir kommen
ins Gespräch und fahren gemeinsam weiter nach Reykjavik. Wir
sollten
uns in den nächsten Wochen noch häufiger über den Weg
laufen,
doch dazu später mehr. In weiter Ferne ist deutlich der
Snaefellsjökull
zu sehen, der Vulkan durch den Jule Verne's Professor Lidenbrock seine
Reise zum Mittelpunkt der Erde angetreten hat (erstklassige
Reiseliteratur!).
Diesmal (im Gegensatz zum letzten Jahr) finden wir vor Reykjavik den
Abzweig
nach Hafnafjördur, und ein Teil der 15 km auf der 4-6 spurigen
Einfallsstraße
nach Reykjavik bleibt uns erspart. Michu hat einen flotten Tritt drauf,
ich muß mich schon ein wenig anstrengen, um mitzukommen, ich habe
wohl etwas wenig Sport gemacht im letzten halben Jahr.
Schon um 15:00 Uhr sind wir am Campingplatz, da ich morgen weiter
will, geh ich erst mal ein wenig Proviant einkaufen, hier in Reykjavik
ist die Auswahl noch groß. Ein kurzes Schläfchen, dann
geht's
zu weiteren Entspannung ins Schwimmbad, ein Muß wo immer in
Island
sich ein Pool findet. An der frischen Luft im heißen Wasser
entspannen,
besser kann's einem kaum gehen.
16.Juli 1997, Reykjavik-Borganes 45 km
Um 13:00 Uhr sitze ich endlich auf der Fähre nach Akranes, es ist heute bestes Wetter, die Sonne scheint und so ist die Überfahrt ein richtiges Vergnügen. An der Küste fallen die Berge steil zum Meer ab, fast scheint es so, als ob jemand mit dem Messer den Rest weggeschnitten hat. In Akranes angekommen, bin ich der einzige Radfahrer, der die Fähre verläßt. Die Straße geht nun nur leicht bergauf und bergab, allerdings kostet ein leichter Gegenwind etwas Mühe. Auf dem Weg nach Borganes, mein heutiges Ziel ist nicht mehr weit, begegne ich einem Franzosen, ebenfalls per Rad unterwegs. Wie eigentlich fast immer, wenn ich hier andere RadlerInnen treffe, halte ich an und wir unterhalten uns ein wenig in dem bißchen Englisch, das er kann und dem bißchen Französich, das ich kann. Er erzählt mir von dem schlechten Wetter, das er in den letzten 2 Wochen hatte. Wir tauschen noch unsere weiteren Pläne aus, dann geht's weiter in Richtung Borganes, das wirklich schön am Borgarfjördur liegt. Ich muß nur noch über die lange Brücke, dann kann ich mich auf die Suche nach dem schnuckeligen Campingplatz machen, mit kostenloser Dusche. Danach wird gekocht und ich genieße die untergehende Sonne, die den Fjord in wunderschönes Licht taucht.
17.Juli 1997, Borganes-Budir 107 km
Bei strahlendem Sonnenschein breche ich heute morgen schon um 9:30 auf. Der Wind kommt leicht von schräg hinten und so komme ich auf der Straße 54 gut voran. In der Nähe des Schlosses Eldbjorg halte ich kurz an, um etwas Schokolade zu essen, doch erst nach 50 km mache ich hinter dem "Knick" der Straße 54 eine längere Mittagspause. Brot, Skyr und etwas Vitamine sollen Kraft für die nächsten Kilometer geben. In Vegamot, am Abzweig nach Stykkisholmur treffe ich auf Gabriel und Tanja aus dem Saarland, die hier rasten. Ich setze mich dazu und wir kommen ins Gespräch. Wir haben die gleiche Richtung und so beschließen wir gemeinsam weiterzufahren. Die beiden sind sehr aufgeschlossen und so haben wir viel Spaß miteinander. Unser Ziel heißt zunächst Langaholt, doch dort angekommen beschließen wir den Tag zu nutzen und noch bis Budir weiterzufahren. Hinter Langaholt wird die Straße aufgrund von Straßenbauarbeiten fürchterlich, nur noch ein weiche Piste mit großen Steinen bleibt davon übrig. Die Küste hier ist geprägt durch den Kontrast von weißem Sandstrand mit dazwischenliegenden Lavabrocken, ein toller Kontrast. Der Campingplatz in Budir besteht nur aus kleinen Wiesenabschnitten zwischen Lavabrocken gegenüber des Hotels und einer kleinen Holzbude mit Wasseranschluß. Dafür steht unweit des Hotels in Richtung Strand eine kleine Holzkirche in den Dünen. Nach 107 km heute bin ich ganz schön kaputt, und so geht's nach dem Essen und einem kleinen Spaziergang recht früh ins Bett.
18.Juli 1997, Budir-Hellissandur (gefahren: 43 km)
Heute morgen ist es mit dem guten Wetter vorbei, es regnet. Aber
erstmal gibt es Frühstück, danach beschließen wir zu
dritt,
doch weiterzufahren. Bis Arnarstapir kommen wir noch ohne Probleme
voran,
die Küste wird hier recht felsenreich, leider ist die Sicht fast
Null.
In Arnarstapir nutzen wir die Gelegenheit und wärmen uns in einem
kleinen Cafe, und stärken uns mit Kuchen. Als wir das Cafe
betreten,
müssen wir erstmal die Klamotten ausziehen, draußen wird es
bei Regen schnell kälter als 10 Grad, und hier drinnen sind wie
fast
immer so um die 23 Grad. Nachdem wir uns gestärkt und
aufgewärmt
haben, machen wir noch einen Rundgang an der Felsenküste, die bei
schönem Wetter sicherlich auch einen längeren Spaziergang
wert
ist. Dann geht's weiter Richtung Hellissandur, das Wetter wird immer
schlechter
und der Wind nimmt zu. Auf der Piste müssen wir uns höllisch
konzentrieren, der Wind kommt von schräg hinten, wenn ich an der
ganz
rechten Kante losfahre, kann ich das Rad am linken Rand der Piste noch
abfangen. Ohne zu treten erreichen wir teilweise bis über 30km/h,
kommunizieren können wir nur noch durch Brüllen. Hinter
Beruvik
bleibt Gabriel hinter uns zurück, wir merken das zunächst gar
nicht und im nu sind wir 1-2 km voraus.
Schließlich halten wir an, aber Gabriel kommt immer noch
nicht,
ich kämpfe mich gegen den Sturm zurück, Gabriel sitzt im
Straßengraben
und bastelt an seinem Fahrrad. Der Aluminiumlowrider ist gebrochen (die
Sollbruchstellen diese Gepäckträgertyps brechen bei fast
allen,
ein Stahlrohr-Lowrider ist die bessere Wahl). Wir versuchen
den Lowrider notdürftig zu flicken, in Hellissandur können
wir
Schlauchschellen kaufen, damit kann man ihn dann dauerhaft flicken.
Langsam
kommt auch Tanja zurück, die wissen will, was los ist. Mühsam
bekommen wir den Lowrider wieder hin, allerdings kann man sich kaum
noch
auf der Straße halten bei dem Sturm. Da kommen zwei riesige
Geländewagen
der Seenotrettung vorbei. Sie fragen, ob sie uns helfen können und
Tanja ist so vernünftig zu fragen, ob sie uns nicht bis zum Ort
mitnehmen
können. Unsere 'Retter' rufen sogar beim Gästehaus 'Gimli' in
Hellissandur an und kündigen unser Kommen an. Die Räder
werden
in das riesige Auto verstaut, wir schweben 2m über dem Asphalt,
die
Wagen sind mit GPS, Funk, elektronischen Karten ausgestattet. Der
andere
Wagen fährt weiter in die entgegengsetzte Richtung ein Fischerboot
wird im Sturm vermißt. Die Hilfsbereitschaft der Isländer
ist
wirklich einmalig, wir waren ja nicht in ernsthafter Gefahr, zum Dank
überlasse
ich ihnen meine mitgebrachte zollfreie Flasche Whisky. Unser
Gästehaus
ist eine nette, einfache Schlafsackunterkunft, die uns bei dem
Sauwetter
aber wie ein Grandhotel vorkommt. Der Wind wird in der Nacht noch
stärker,
es heult ums ganze Haus, und wir sind froh, daß wir nicht im Zelt
hocken, zumal der Campingplatz völlig ohne Windschutz ist.
19. und 20.Juli 1997, Hellissandur
Heute morgen ist an Weiterfahren gar nicht zu denken, es regnet, der Wind erreicht in Böen bis Stärke 9. Wir machen uns es im Gästehaus gemütlich, nachmittags als es etwas trockener wird, machen wir einen Spaziergang zu den Walfischknochen, die westlich des Ortes in der Nähe des Ufers liegen. Am nächsten Tag ist das Wetter nur bedingt besser, der Wind ist etwas weniger geworden. So können wir richtig ausschlafen, etwas lesen, ein paar Karten schreiben. Am Abend nehmen wir alle den Bus nach Borganes zurück, Tanja und Gabriel wollen weiter nach Norden, ich zelte noch ein Nacht in Borganes, bevor es am nächsten Tag weiter ins Hochland gehen soll.
Heute Nacht hat es wieder kräftig geregnet, aber als ich morgens aus dem Zelt krieche, ist es wieder trocken. Heute soll es ins Husafell gehen, ein Feriengebiet am Langjökull (Gletscher), morgen will ich dann die kürzeste Hochlandroute, die Kaldidalur in Angriff nehmen. Bevor es losgeht, kaufe ich noch ein für die nächsten Tage, in Thingvellir gibt es auch keinen Laden. Dann geht's zunächst die Ringstraße in Richtung Norden. Am Abzweig der Straße 527 (später 523, 518) nehme ich noch den obligatorischen Kaffee an der Tankstelle ein. Beim Abstellen des Fahrrads bricht mir der Ständer ab, der erste Tribut an das Radfahren in Island. Durch leicht welliges Land geht's auf guten Pisten bis ins Husafell, wo ein großer Campingplatz und noch wichtiger, ein Schwimmbad auf mich warten, die Entspannung am Nachmittag im Whirlpool ist gesichert. Doch zuvor besuche ich noch die Hraunfossar, die Lavawasserfälle, nicht eben groß aber schön wir das Wasser scheinbar aus dem Unterirdischen durch die Lava in den Fluß stürzt. Nur etwas voll ist es hier, und ich werde zum Schauobjekt für einige Bustouristen.
22.Juli 1997 Husafell - Kaldidalur - Thingvellir (68 km)
Ich stehe nicht all zu spät auf, die Sonne scheint und der
Langjökull
ist in ganzer Pracht zu sehen. Nach 2.5 km vom Campingplatz aus geht's
auf die F35, die sich nun zur allerdings gut zu befahrenen Piste
wandelt.
Zunächst geht' gemächlich bergauf, bevor ein steiler Anstieg
alle Kräfte fordert. Vom Gletscher kommen Wolkern herunter, die
Ausläufer
des Gletscher sind jedoch immer
eindrucksvoll zu sehen, rechter Hand liegt der Minigletscher Ok. Die
Kaldidalur
ist eine schöne Hochlandstraße im Miniformat, mit nicht
zuviel
Verkehr. Hier kann man/frau das, wofür man auf der Kjölur
(siehe
1996) 3 Tage braucht, an einem Tag erleben.
Auf ungefähr 720 m angekommen, wird der Wind wieder
stärker,
an einer Schutzhütte, die es im Hochland immer wieder gibt, mache
ich eine kleine Essenspause, bevor es weiter in Richtung Nationalpark
Thingvellir
geht. Ab Uxahryggir, wenn's auf die Straße 52 geht, wird die
piste
miserabel, so kann ich das Gefälle gar nicht ausnutzen und es ist
wieder einige Konzentration von Nöten,
um sicher bergab zu fahren. Leider geht's vor Thingvellir nochmal
bergauf,
bis auf 350 m. Dann geht's mit 20% Gefälle hinab ins Tal, wo sich
die Isländer seit Urzeiten in der Allemännerschlucht treffen
und der Ursprung des Isländischen Parlaments zu suchen ist.
Früher
wurde hier einmal im Jahr Gericht abgehalten. Hier war ich auch letztes
Jahr schon mit Frank, ich schaue mir alles noch mal in Ruhe und
ausführlich
an. Dieser Ort ist auch geologisch ein interessanter Flecken an der
Stelle,
wo sich amerikanische und europäische Platte voneinander
wegschieben.
Man kann dies gut an den Verwerfungen studieren, und diesem
plattentektonischen
Schauspiel haben die Isländer ihre Allemännerschlucht zu
verdanken.
Der Campingplatz, bestehend aus einer Wiese, Klo und Wasserhahn,
beherbergt mich für die Nacht, wild campen ist im Nationalpark
verboten.
23.Juli 1997 Thingvellir - Geysir (54 km)
Heute morgen habe ich überhaupt keine Lust zu radeln, aber wenigstens bis Laugarvatn will ich es versuchen. Um mich gut zu 'motivieren', setzt auch wieder Gegenwind ein als ich über den Hügel nach Laugarvatn fahre. Die Schlafsackunterkunft in Laugarvatn hat keine Küche, so entschließe ich mich bis zum Geysir weiterzufahren. Beim Einkaufen, beim Geysir gibt's nur einen kleinen Kiosk, treffe ich Gerhard und Ursel aus Österreich, die weiter zu Kjölur wollen. Ich fahre mit den beiden gemeinsam weiter zum Geysir, bin froh über Gesellschaft, der Tag ist doch noch gerettet. Es bleibt wider Erwarten trocken, sodaß die Zelte trocken aufgebaut werden können. Lange halten wir uns bei den Sprudellöchern und natürlich dem alle paar Minuten Wasserfontänen speienden "Strokkur" auf. Der "Geysir", Namensgeber aller Geysire bricht schon Jahre nur noch einmal im Jahr unter Beimengung von nicht wenig Waschmittel aus. Danach geht's zur Entspannung in den Hotelpool (im Campingpreis inbegriffen). Bei 40 Grad im heißen Becken sind alle Mühen vergessen. Ein gutes Essen rundet den Abend ab.
24.Juli 1997 Geysir - Sandartunga (69 km)
Ich verabschiede mich von Ursel und Gerhard, wünsche ihnen viel Spass auf der Kjölur und wende mich wieder ein wenig nach Süden in Richtung Fludir, ein paar Steigungen sind zu bewältigen. Vor Fludir wird die Piste neu gemacht, der Lavasand ist noch ganz locker, ich komme kaum voran. In Fludir treffe ich viele Radler, drei Schweden, die von Stockholm per Rad und Schiff gekommen sind, einen Deutschen, der fast alle Pisten abfährt die auf seiner Karte verzeichnet sind und einige andere. Fludir ist Anlaufstelle für viele, die ins Hochland (Sprengisandur oder Landmannlaugar) wollen oder von dort kommen, da hier der letzte oder erste Laden ist, je nachdem in welche Richtung man fährt. Ich muß mich auch für die nächsten 3 Tage mit Essen eindecken, plus eine Reserve, die im Hochland immer dabei sein sollte. Hinter Fludir biege ich nach Links auf die Straße 32 Richtung Sprengisandur ab. Mein eigentliches Ziel, Arnes, lasse ich links liegen, hier ist nichts los und es ist noch zu früh am Tag. In der Ferne ist die Hekla zu erkennen, wohl einer der gefährlichsten Vulkane Island, knapp 1500 m hoch. Ich erreiche Sandatunga, das aus einem Capmingplatz ohne Rezeption besteht. Nur wenige haben sich hierher verirrt. Es ist aber die letzte Station vor Landmannalaugar, wenn man von einer bewirtschafteten Hütte (am Hrauneyalon) absieht. Ich mache mir einen gemütlichen Abend mit einem Buch und gehe früh zu Bett um Morgen für die Etappe in Richtung Landmannalaugar fit zu sein.
25.Juli 1997 Sandartunga - Landmannalaugar (77 km)
Die ganze Nacht hat es geregnet, glücklicherweise ist mein Zelt dicht und so stört lediglich der Wind beim Schlafen. Um 9:00 Uhr ist es endlich mal wieder trocken, ich stehe auf und nach einem kurzem Frühstück packe ich meine Sachen, heute geht es wieder ins Hochland! Schon um 10:00 Uhr bin ich auf der Straße, die aber bald in eine Schotterpiste übergeht. Zusätzlich gehts bergauf, aber ich komme gut voran, die Piste hat einen sehr guten Zustand entgegen den Aussagen des Reiseführers. Unterwegs treffe ich nur einen Radfahrer, der mit GPS ausgerüstet alle möglichen Pisten abfährt, je abgelegener umso besser. Schon Mittags bin ich in Hrauneyalon, wo ich etwas esse. Hier ist auch eine Hütte, aber da ja noch der halbe Tag vor mir liegt, entschließe ich mich noch bis Landmannalaugar weiter zu fahren. Wenig hinter der Hütte biegt die Piste rechts von der Route zur Sprengisandur ab.
Nun wird die Piste schlechter, es geht steil bergauf und ich tauche ab in eine Lavawüste. Es ist ein eigenartiges Gefühl, die Weite dieser Lavawüste zieht mich trotz der Ödnis in ihren Bann. Langsam und gleichmäßig versuche ich die Steigungen zu nehmen, plötzlich wähne ich mich einer Halluzination gegenüber: Über eine Kuppe kommt mir ein Mann entgegengejoggt, einige Meter hinter ihm eine Frau auf dem Fahrrad. Wir halten an, es ist ein französisches Pärchen, er läuft jeden Tag so 25-30 km, seine Frau hat Zelt und Gepäck auf dem Fahrrad. Es gibt halt nichts, was es nicht gibt. Sie wollen die Sprengisandur weiter Richtung Norden laufen/fahren. Da bin ich mit meinem Fahrrad doch noch ganz normal.
Die Piste wird langsam sandiger und ich muß einige Male absteigen und mein Fahrrad durch den Lavasand schieben, dabei geht's heute schon recht gut, da der Sand noch vom Regen fest ist. Ein paar Autos überholen mich, ansonsten ist ziemlich wenig los. Langsam kommt Landmannalaugar näher und die Landschaft beginnt sich etwas zu wandeln. Einige Berge schimmern grün und jetzt wo die Sonne ein wenig rauskommt, wirkt dieses Grün ganz knallig. Vielleicht wird dies allerdings auch durch den Gegensatz zum Lavasand so drastisch deutlich. Bei den höheren Bergen kommen Schneefelder hinzu, eine tolle Szenerie, die alles bisher in den Schatten stellt. In Landmannalaugar angekommen, scheint die Sonne richtig und das Panorama ist fantastisch! Ich schiebe mein Fahrrad über die Fußgängerbrücke, die tiefe Furt direkt vor dem Campingplatz ist nur etwas für Geländewagen. Wen sehe ich denn dort auf dem Campingplatz, Michu aus Holland hat es auch bis hierher geschafft. Wir setzen uns zusammen und breichten gegenseitig über unsere Erlebnisse. Leider hat die Hochlandetappe auch am Fahrrad wieder Verluste gefordert, ein Anlötteil, an dem der Gepäckträger befestigt ist, ist gebrochen, glücklicherweise habe ich noch unbenutzte direkt daneben, und so wird der ganze Gepäckträger kurzerhand versetzt. (Das Rad sollte später zuhause wieder in Ordnung gebracht werden.) Danach freue ich mich auf Entspannung pur im Naturpool, der hier auch gleichzeitig Treffpunkt aller ist. Ich treffe auf eine Gruppe Bonner GeologiestudentInnen (ich habe in Bonn Physik studiert), und so werden die neuesten Nachrichten aus dem Fachbereich ausgetauscht. Ein kleiner Spaziergang und etwas Kuchen runden den Nachmittag ab.
26.Juli 1997 Landmannalaugar
Heute ist ein 'Pausentag' angesagt, aber nur was das Radfahren angeht. Denn schon einmal hier, sollte man auch mindestens einen Tag die Gegend zu Fuß erkunden. Aber zunächst einmal wird aufgestanden und in Ruhe gefrühstückt. Dabei unterhalte ich mich mit zwei anderen Radlern. Michu ist heute morgen in Richtung Vik weitergefahren, die Strecke mit den vielen Furten. Ich werde wohl morgen den Bus nehmen, das abgebrochene Anlötteil hat mich etwas unsicher gemacht. Heute wandere ich durch das Tal, fotografiere viel die urzeitlich anmutende Landschaft. Entspannung im Pool ist ein guter Ausgleich zum Radfahren die letzten Tage. Außerdem treffe ich viele nette Leute, ein Schweizer Ehepaar, die wandern, 2 gestreßte Manager, die in einer Woche Island mit dem Auto umrunden und zwei nette Berlinerinnen, die per Bus und per Pedes unterwegs sind.
27.Juli 1997 Landmannalaugur -(Bus)- Ringstraße -(Rad)- Vik (50 km Rad)
Heute morgen kann ich wieder ausschlafen, da der Bus erst gegen Mittag losfährt. Noch einen Defekt stelle ich heute morgen fest, an meinen Lowridertaschen ist die Schiene angebrochen. (Sie hält allerdings noch den Rest der Tour und wird mir später von Karrimor nach 8 Jahren Gebrauch der Taschen kostenlos ausgetauscht, das nenne ich Service!) Schließlich baue ich das Zelt ab und bringe alles zum Bus, doch nicht wie erwartet ein allradgetriebener Bus fährt auf der Strecke, heute haben sie einen weitgehend normalen Reisebus eingesetzt. Die Busfahrer haben schon viel zu leisten hier, 7-8 Stunden Fahrt mit einer Stunde Pause zwischendurch, und das auf Pisten mit Furten, Gegenverkehr zwischen den Ausweichstellen. Dann muß einer zurücksetzen, bis es aneinander vorbeigeht. Die Strecke hinunter ist grandios (auch wenn heute das Wetter nicht mitspielt), es sind zahlreiche Furten zudurchfahren. Die Strecke muß ich irgendwann noch einmal mit dem Fahrrad fahren. Ich lasse mich an der Ringstraße 'rausschmeißen, die Fahrer halten jederzeit, wenn man an der Strecke aussteigen will. Der Bus fährt auf der Ringstraße weiter nach Osten, ich mache mich nach Westen in Richtung Vik auf. Das ist heute auch die bessere Wahl, ich habe richtig Rückenwind. Für die 50 km, für die wir letztes Jahr fast den ganzen Tag gebraucht haben, benötige ich knapp 2 Stunden, mit über 25 km/h fliege ich über die Ringstraße. Dann stelle ich mein Zelt auf, was bei dem Wind gar nicht so einfach ist, billigere Kuppelzelte haben sich schon bis auf halbe Höhe zusammengefaltet. Ich sitze mit Michu dem Holländer im Aufenthaltsraum, er ist ja gestern abgefahren und mittags hier angekommen. Wir sitzen mit ein paar anderen zusammen und quatschen, bevor alle ins Zelt kriechen und versuchen zu schlafen, was bei dem Sturm gar nicht so einfach ist.
Die Nacht war fürchterlich, durch den Sturm war es so laut, daß ich kaum schlafen konnte. Das Zelt hat zwar super gehalten, aber das Flattern sorgt für einen sehr unruhigen Schlaf. ber beim Frühstück heute morgen haben alle im Aufenthaltsraum noch sehr kleine Augen. Michu und ich entschließen uns irgendwann trotz des Regens aufzubrechen. Also das Zelt mal wieder im Nassen abbauen, alles verstauen und gegen 12 Uhr kommen wir los, wieder mit Rückenwind heute. Leider kann man vom Gletscher und den Bergen heute rein gar nichts sehen, teilweise beträgt die Sicht gerade mal 100-200 m. Dafür fliegen wir mit über 30 km/h dahin und schon nach eineinhalb Stunden sind wir in Skogar am großen Wasserfall, wo dann wieder eine Kaffeepause angesagt ist. Und schon geht's weiter Richtung Westen mit einem Affenzahn, die Radler, die uns entgegenkommen sehen wesentlich verbissener aus. Den kleinen Sander vor Hvolsvöllur lasssen wir schnell hinter uns, nur ein kräftiger Regenschauer trifft uns noch. Als wir in Hella unser Zelt aufbauen ist es wenigstens mal trocken und wir treffen die zwei Berlinerinnen wieder (aus Landmannalaugur). Gemütlich sitzen wir abends alle im Aufenthaltsraum des Campingplatzes zusammen. Die Beiden wollen noch Thorsmörk etwas wandern, wir werden uns in Reykjavik wiedertreffen.
29.Juli 1997 Hella - Hveragerthi (52,4 km)
Heute morgen ist es wieder grau, ich schlafe erst mal aus. Dann wird gemütlich gefrüstückt. Es regnet wieder und so lese ich erst mal noch ein wenig in einem Buch, bevor es dann gegen 12:00 Uhr losgeht. Die Strecke heute ist nicht gerade spektakulär, da der der Wind immer noch von hinten weht komme ich schon am frühen Nachmittag in Hveragerthi an. Hier ist nicht viel los, der Campingplatz ist eine Wiese inmitten des Ortes. So bleibt mir nicht viel mehr zu tun als Schwimmen zu gehen. Später wird der Campingplatz doch noch voller und abends sitzen wir insgesamt zu 8 zusammen, morgen soll's dann weiter nach Reykjavik gehen.
30.Juli 1997 Hveragerthi - Reykjavik (knapp 50 km)
Das Wetter bleibt das beherrschende Thema, aber heute morgen ist es ausnahmsweise mal nicht regnerisch. So können wir alle draußen gemeinsam frühstücken, bevor ich mich um 10:00 Uhr in Richtung Reykjavik aufmache. Zunächst geht's etwas bergauf, bis ich auf der Mosfellsheithi bin. Zwischendurch halt ich wieder wie letztes Jahr an der Tankstelle auf einen Kafee und einStück Kuchen. Dann geht's bergab nach Reykjavik 'rein, die 4-spurigen Strßen sind nicht gerade das reinste Radlervergnügen. Ich verfahre mich aber nicht, da ich die Strecke schon vom letzten Jahr kenne. Anlaufstelle ist der große Campingplatz in Reykjavik, wo sich alle Globetrotter und -treter treffen.
31.Juli - 3.August 1997 Reykjavik
Originaltext Tagebuch: "Regen, Regen, Regen." Das Fahrrad habe ich nur noch einmal benutzt, ansonsten bin ich zu Fuß unterwegs gewesen. An einem Tag kann ich kaum das Zelt verlassen. Gott sei Dank gibt es hier etwas Kultur Mittags und am Sonntag abend gibt es in der Hallgrimskirche Orgelkonzerte, die ein echtes Erlebnis sind. Die große Kleisorgel hat ein guten Klang. Viele Leute treffe ich hier wieder, die Schweizer die das Wandern auch beendet haben und sich rüsten für ihren Nationalfeiertag am 1.August. Das große Schwimmbad mit mehreren Pools bis 45 Grad sorgt für Abwechslung und am Freitag treffe ich auch die zwei Berlinerinnen wieder. Wir sitzen abends beim Kochen zusammen und am Sonnabend gehen wir gemeinsam in die Stadt, eine Suppe essen. Sie kommen aus Ostberlin und haben gerade angefanfen zu studieren. Es ist interessant zu hören, wie sie die Wende erlebt haben, sie waren damals gerade 13 bzw. 14. Das ist eine ganz andere Sicht auf die Dinge, als wir und Freunde aus Greifswald sie haben, die doch schon 24 waren. Am Sonntag will ich eigentlich nach Keflavik fahren, aber es regnet morgens so stark, daß ich in Reykjavik bleibe.
Hurrah, heute ist es trocken, so fahre ich doch mit dem Fahrrad nach Keflavik, obwohl Gegenwind zu erwarten ist. Ich stehe früh auf und schon kurz vor 10:00 Uhr sitze ich auf dem Rad. Der Gegenwind hat sich auch eingestellt, und so geht es langsam voran. Heute am Bankholiday, gestern hatten die Isländer ihren Nationalfeiertag, ist noch nichts los auf den Straßen. die Isländer müssen alle noch ihren Rausch ausschlafen, wenn sie mal trinken, dann richtig. Am Sonnabend vorm Alkoholladen stand Polizei und immer nur 10 Leute wurden in den Laden gelassen. Für mich ist das heute ganz angenehm, so werde ich neben dem Wind nicht noch durch Autos belästigt. Gut drei Stunden brauche ich nach Keflavik, meine Anlaufstelle ist wieder Ellis Campingplatz, meine Fahrradpolsterung wieder abzuholen und noch ein Plausch mit Elli zu halten. Da der Flieger erst um 1:00 Uhr nachts geht, lese ich noch etwas und unterhalte mich mit den Neungekommenden. Abends fahre ich, das ist doch klar, die letzten 5 km wieder mit dem Fahrrad zum Flughafen. Nun bringt mich der Fliger wieder zurück nach Hause.
Alles in allem...
...war dies wieder eine tolle Tour in Island, wenn auch der
Dauerregen
die letzten Tage etwas genervt hat. Insgesamt 900 km habe ich in den 3
Wochen mit dem Fahrrad zurückgelegt, viele nette Leute getroffen
und
die grandiose Landschaft genossen. Ich fahre bestimmt einmal wieder
nach
Island und wieder mit dem Fahrrad. Es ist ein ideales Land um alleine
zu
reisen, da man, im Sommer, viele Leute trifft. Die Isländer sind
einmalig
hilfsbereit und hinter der 'rauhen' Schale stecken herzliche und
freundliche
Menschen.
Wenn Ihr Kommentare zu meinem Reisebericht oder Fragen zum
Fahrradfahren
in Island oder zum Reisen in Island habt, nutzt doch meine
email-Adresse
unten. Allgemeine Tips zu Island und zum Fahrradfahren auf Island habe
ich HIER zusammengestellt.
Karte: (c) OpenStreetMap (and) contributors, CC-BY-SA, www.openstreetmap.org